Exhibition
Gestures
Protest, Economy and the Imperceptible
Ausstellung: Throwing Gestures

Die Ausstellung „Throwing Gestures“ befragt Geste als körperliche Bewegung, die ihre Bedeutung in der politischen Zuschreibung sowie durch ihre mediale (Un)Sichtbarkeit erlangt. „Throwing Gestures“ untersucht mediale Repräsentationen (politischer) Gesten, ihre Übersetzungen, Verschiebungen und (De-)Kontextualisierung, Versprachlichung sowie Videoerkennung und filmische Formen. Die Kunstwerke analysieren dabei Machtstrukturen, seien sie sichtbar, unsichtbar oder manifest in materiellen Formen, wie Architektur und Technik.
Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten sind in den vergangenen beiden Jahren im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts „The Entanglement between Gesture, Media, and Politics“ entstanden. Künstler/innen, Performer/innen, Medien- und Kulturwissenschaftler/innen haben in intensiven zeitlich wie räumlich begrenzten Arbeitssituationen, Fragestellungen, Methoden und Recherche ausgetauscht, eigene Zugänge kritisch hinterfragt sowie disziplinübergreifende Interessen mit Kolleg/innen ausfindig gemacht. Ergänzt werden die so entstandenen Arbeiten durch Werke geladener Künstler/innen, die sowohl wichtige Referenzen im Forschungsprozess darstellen als auch für die Auseinandersetzung mit Geste signifikante Aspekte aufgreifen.
Die Zusammenstellung der Arbeiten zeigt klar: Die mediale Präsenz von Protestgesten ist in einen komplexen Kampf um Aufmerksamkeit eingewoben, in der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ sind Protestgesten auf einer sozio-ökonomischen Folie zu analysieren. So lässt sich – etwas polemisch – vermuten, dass das „Policing the Crisis“ (Stuart Hall et al.) der Ära Margaret Thatcher in das Zeitalter seiner kommerziellen Verwertung eingetreten ist.
An der Ausstellung beteiligte Künstler/innen: Larry Archiampong & David Blandy, Jakob Argauer, Florian Bettel, Dina Boswank, Justine A. Chambers, Jeremy Deller, Timo Herbst, Kerstin Honeit, Irina Kaldrack, Silas Mücke, Marcus Nebe, Tobias Schulze, Konrad Strutz, Bahaa Talis, Nasan Tur, Laurie Young.
Kuratiert von Florian Bettel, Dina Boswank, Timo Herbst, Konrad Strutz und Laurie Young. Die räumliche Inszenierung ist im kritischen Diskurs mit Alexander Koch entstanden.
Jeremy Deller
All That Is Solid Melts Into Air
Banner mit Textnachricht an Menschen mit Null-Stunden-Vertrag sowie Video, 20 min., 2014
Jeremy Deller erforscht mit seinem Ausstellungsformat „All That Is Solid Melts Into Air“ das britische Industrieerbe ebenso wie das Aufkommen der urbanen Arbeiterklasse während der Industriellen Revolution. Dabei stellt er Artefakte, die von den brutalen Arbeitsbedingungen im 19. Jahrhundert zeugen, Objekten gegenüber, die aktuellen Arbeitspraktiken entnommen wurden.
Die Textnachricht „Hello, Today you have day off“ erreicht Arbeiter/innen, die über keinen Vertrag verfügen und von Tag zu Tag gebucht werden – schätzungsweise eine Million Menschen in Großbritannien. Eine Nachricht, die scheinbar freundlich ist, aber für Menschen, deren Frei- und Arbeitszeit nicht geregelt sind, den Verlust von Einkommen und sozialer Sicherheit bedeuten.
Mit freundlicher Genehmigung von Jeremy Deller und The Modern Institute.

Florian Bettel, Barbara Lippe
Assad Waiting
Video, 5 min., Loop, 2002/2018
Hafiz al-Assad, syrischer Diktator 1971–2000, Vater von Baschar al-Assad, muss warten – ganz im Gegensatz zu seiner üblichen Herrschaftsgeste, auf sich warten zu lassen. Er muss minutenlang im Fernsehstudio in seiner Pose verharren und auf den Auftritt des wahren Stars der bevorstehenden Liveschaltung warten, den syrischen Kosmonauten Muhammed Faris.
Der Sommer 1987 verhalf der syrischen Nation zu einem denkwürdigen kollektiven Fernseherlebnis: Faris berichtete Assad von seinem Aufenthalt auf der sowjetischen Raumstation Mir. Noch heute erinnern sich damalige Seher/innen mit Stolz an den Auftritt Faris’. Der Anblick des wartenden Diktators blieb ihnen jedoch verborgen.

Nasan Tur
Demo Kits Deluxe
5 Gegenstände, Edelmetalle, Edelhölzer, Seide, Spraydosen, veredeltes Klebeband 90×5,5×7,5 cm, Einzelstück, 2009
„Eine Meinung zu haben, ist die eine Sache; sie in der Öffentlichkeit zum Ausdruck zu bringen und dafür einzustehen ist eine bedeutend andere. Wann entscheiden wir, aus der passiven Rolle in die aktive zu wechseln? Die ‚Demo Kits‘ sind sowohl künstlerische Arbeiten als auch Werkzeuge, die individuelle Teilhabe ermöglichen sollen. Jede/r sollte mindestens ein Kit zu Hause bereit halten, im besten Fall griffbereit in der Nähe der Haustüre, ganz wie ein Feuerlöscher. Die praktischen Demonstrations-Kits beinhalten ein zusammengerolltes Banner, hergestellt aus zwei Stäben und einem Stück Stoff, dazu eine Spraydose. Ich habe sehr kostengünstige Exemplare aus einfachen Holzstöcken, Baumwollstoff und Sprühfarbe aus einem Baumarkt hergestellt. Im Gegensatz dazu sind die ‚Demo Kits Deluxe‘ Versionen, die in der Ausstellung in Bethanien zu sehen sind, wie kostbarer Schmuck arrangiert. Sie bestehen aus exotischem Holz, handpoliertem Edelmetall, feinster Seide und glänzenden Spraydosen. Ein jedes ist ein Einzelstück und hat entsprechend als Kunstwerk einen hohen Preis. Die Frage der Benutzbarkeit der Objekte stellt sich dadurch neu.“ (Nasan Tur)

Larry Achiampong & David Blandy
FF Gaiden: Black Death
Ultra HD Video in Farbe, Stereo Sound, 16:9, 9 Minuten, 2017
Die Arbeit „FF Gaiden: Black Death“ nutzt die Ästhetik der simulierten Spielewelt von Grand Theft Auto für eine Reflexion über Thatcherismus, den Brexit und postkoloniale Strukturen. Innerhalb dieses Rahmens fließen verschiedene Materialien ineinander: Ein Drehbuch und eine Spoken Word-Performance des Künstlers Kamile Ofoeme, einen eigens hergestellten Soundtrack und eine Reise durch eine virtuelle aufgelassene Fabrik. Der Brexit hat jene kulturelle Umwälzung verstärkt, die – den Blick in die Vergangenheit gerichtet – nach nationaler Identität sucht und deren Ausgangspunkt in den Thatcher-Jahren zu verorten ist.
Das „Finding Fanon“-Projekt, eine Zusammenarbeit zwischen Larry Achiampong und David Blandy, ist inspiriert durch die verschollenen Theaterstücke von Frantz Fanon (1925–1961), einem radikalen Humanisten, der sich mit der Psychopathologie der Kolonisierung und den sozialen Konsequenzen der Dekolonisation beschäftigt hat.
Zu sehen ist das Video auch online: vimeo.com/221337330

Dina Boswank, Timo Herbst, Irina Kaldrack, Silas Mücke und Marcus Nebe
G20
Installation von Silas Mücke, 2018
„G20“ befragt politischen Protest. Die Installation dokumentiert die gleichnamige Ausstellung, die im Oktober 2018 im KV – Verein für Zeitgenössische Kunst Leipzig stattgefunden hat. Videoaufnahmen, Soundarbeiten, Fotoinstallation, Objekte und ein performativen Vortrag addressierten das Handeln und die Ab-Bilder der Proteste in Hamburg 2017. In unterschiedlichen Konstellationen überlagerten sich diese Elemente, verschränkten sich zu neuen Assoziationen. Es öffneten sich unterschiedliche Zugänge zu Protest, politischer Geste und Handlungsfähigkeit.
„G20“ zitiert im Kunstquartier Bethanien diese performative Installation mit einer Neuinszenierung der Polizeigitter, einer Videodokumentation der Lecture Performance und der Videoansicht eines „unsicheren Polizisten“, der eine zentrale Figur in der Auseinandersetzung um Protestgesten und dem Politischen in der gemeinsamen Arbeit gewesen ist.
Video Dokumentation von Marcus Nebe und adaptierte Installation von Silas Mücke.

Kerstin Honeit
ich muss mit ihnen sprechen
Installation (Video, 30 Karten auf 6 Aluminiumleistens), 1:35 min, HD Farbe, Ton, 2015/2016
Die Miniatur „ich muss mit ihnen sprechen“ ist ein stetiger Prozess des Stimme Anhebens und Vorbereitens auf das Sprechen, und stellt dabei den Sprechakt und die Ermächtigung an sich kritisch in Frage. Sie untersucht die Repräsentation von People of Color im deutschen Mainstream-Film und Fernsehen vor dem Hintergrund einer Recherche zur Politik der Filmstimmen-Synchronisation. Ausgangspunkt ist die „weiße“ deutsche Sprecherin, die Whoopi Goldberg sowie über dreißig andere afroamerikanische Schauspielerinnen synchronisiert – unabhängig von ihrem Alter und anderen Charakteristiken. Dies ist eine gängige Praxis in der Politik der deutschen Filmsynchronisation, wo einige wenige („weiße“) Stimmen angeblich ähnliche, US-amerikanische Schauspielertypen darstellen. Auf diese Weise werden bereits konstruierte Stereotypen weiter verfestigt und durch die Auswahl von Stimmen verstärkt.

Jakob Argauer, Timo Herbst, Laurie Young
Inclinations
Rampen, diverse Materialien, verteilt im Studio 1, 2018
Die Eingangsarchitektur des Ausstellungsraumes Studio 1 im Künstlerhaus Bethanien ist der Ausgangspunkt der Kollaboration von Laurie Young, Timo Herbst und Jakob Argauer. Die fünf Stufen im ersten Raum machen es mobil eingeschränkte Personen unmöglich, den Raum zu betreten, sowie es der Denkmalschutz unmöglich macht, die vorhandene Architektur zu verändern.
Die installierten Rampen auf den Stufen des Studio 1 thematisieren dieses Dilemma, indem sie durch ihre Installation die ihnen zugeschriebene Funktion verlieren. Die eigens für die Installation erschaffenen Oberflächenbehandlung der Rampen nimmt dabei Bezug auf das Verhältnis von Körper und Spur und konzentriert sich auf die Gesten/Bewegungen, die durch die Architektur vorgegeben werden.

Konrad Strutz
Lost Motion
Installation (Installation mit zwei Videos), Dauer 5:00 min, HD/Ton, 2018
… bezeichnet einen Bewegungsablauf, der nicht zwingend notwendig war, um ein Produkt herzustellen oder einer Handlung Sinn zu geben.
Die Arbeit ist das Protokoll einer Umkehrung dieser Denkrichtung: Nicht die Handlung mit Symbolkraft, der Hieb auf den gordischen Knoten oder die didaktische Faust aufs Auge sind Gegenstand der Auseinandersetzung. Ein nervöses Nesteln, chaotisches Fuchteln oder das gegenstandslose Ritual sind die Akteure dieser Videoinstallation.
Bewegungsmomente, die wenig Auskunft über das Davor oder Danach geben können, treffen zusammen mit dem Zahlentheater unserer Computer-Desktops und fragen danach, wie (un)gerichtet eine Handlung überhaupt sein kann.

Timo Herbst & Marcus Nebe
Play by rules (Budapest, Istanbul, Hamburg)
5 Kanal HD-video, 18 min, 2015–2018
Die Arbeit „Play by rules“ zeigt die Entwicklung und Kommunikation zwischen den Medienberichterstattern, Unterstützern und Protestlern, die am Keleti Bahnhof in Budapest 2015 zu Beginn der „Flüchtlingskrise“ demonstrierten; Unterstützern und Protestlern auf dem Taksim Platz in Istanbul 2016 beim vereitelten Putschversuch; und Protestler gegen den G20 Gipfel 2017 in Hamburg. Die 5-Kanal-Video Installation konzentriert sich dabei auf die Geste der Bilderstellung und der Nachrichtenproduktion und versucht die Erschaffung des medialen Politikspektakels aufzuzeichnen. Die Form der Installation reproduziert und invertiert dafür das Setting von Aufnahmetechnik der Nachrichtenteams im Außeneinsatz. Projektoren ersetzen Kameras auf Filmstativen und Projektionsleinwände ersetzen die Lichter auf den Lichtstativen.
Teil der Sammlung Kunstfonds Dresden und ausgestellt mit freundlicher Unterstützung des Kunstfonds Dresden.

Bahaa Talis & Timo Herbst
„Point of Coincidence“ (Punkt des Zusammentreffens)
Performance mit Life-Zeichnung, 2018
In der Performance „Point of Coincidence“ präsentiert Bahaa Talis sein tägliches muslimisches Gebet auf einer Papierebene, die zeitgleich von Timo Herbst bezeichnet wird. Beide, Herbst und Talis, kommunizieren durch ihre unterschiedlichen Tätigkeiten miteinander. Körperhaltungen, Konzentration und die dadurch entstehenden Referenzen werden von Ihnen geteilt.
„Die Arbeit entsteht aus einer grundlegenden Bewegung, einer Handlung, die du wiederholend täglich fünfmal am Tag tust. Das passiert in jeden Moment unseres Lebens, den wir erleben und den wir verändern. Wir haben etwas erfunden, was Kunst heißt, was der Name ist von etwas, was wir ebenfalls täglich tun – eine positive Veränderung, etwas Gutes, eine wertvolle Veränderung. Wir trennen diese täglich wiederholenden Handlungen voneinander. Lasst uns diese Bewegungen besprechen.“ (Talis)

Irina Kaldrack, Tobias Schulze
Tanzende Fäuste, 2018
Welche Formen von Präsenz und Öffentlichkeit entstehen in videobasierten Netz-Gemeinschaften?
Das fiktive Drittmittelprojekt schleust spezifische Faustgesten in die social-media-app TikTok ein. Mit der App erstellen die NutzerInnen Playback-Videos zu Ausschnitten von Popsongs oder Film-Soundtracks und laden diese auf die zugehörige Plattform hoch. Typische Handgesten illustrieren Songtexte, nutzen das Zusammenspiel von Hand- und Kamerabewegung oder stellen Steuergesten nach.
‚Tanzende Fäuste‘ verfolgt die Verbreitung der politischen Faustgesten und wertet deren Aneignung durch die NutzerInnen aus. Dadurch treten spezifische Ökonomien zu Tage: Die politische Geste erscheint am Schnittpunkt von Kreativindustrie, Wettbewerb, Wohnzimmerarbeit und Selbstdarstellung.
Wie verhält sich das Forschungsprojekt dazu? ‚Tanzende Fäuste‘ lädt dazu ein, das Verhältnis von Präsenz, Öffentlichkeiten und ökonomischen Funktionalitäten in digitalen Kulturen zu denken.

Justine A. Chambers mit Laurie Young, Fotos: Ryan Collerd
ten thousand times and one hundred more
30 Fotos, je 13cm x 18cm, 2 Poster, je A3, 2018
Beflügelt von der aktuellen Bewegung widerständiger Körper schöpft diese Arbeit aus einem subjektiven Archiv von Protestbildern (ikonisch, zufällig und persönlich). Die Künstlerin ist aufgefordert, haptisch und schrittweise alle möglichen Mikrobewegungen zu erlernen, die zu einem erkennbaren Ausdruck von Widerstand führen – auch wenn sie knapp davor anhalten. Unterstützt von der Theorie zur „Minor Gesture“ von Erin Manning, stößt das Projekt an die Grenzen der Lesbarkeit. Jede noch so banale Geste hat in unserer heutigen Zeit das Potenzial, falsch interpretiert, korrumpiert, verurteilt zu werden: „ten thousand times and one hundred more“ führt die kleine Geste des Widerstands wieder in den Habitus des täglichen Lebens ein, erinnert an das Privileg der Mobilität und der Zwischentöne und an die Dringlichkeit eines politischen Ausdrucks.

Dina Boswank
Zentralperspektive/Central Perspective
Installation, 2018
Auf den G20-Protesten in Hamburg wurde ein Supermarkt geplündert. Ein Pressefotograf, Thomas Löhnes, hat für die Bildagentur „Getty Images“ einen Ausschnitt fotografiert, der weithin zirkulierte. Er zeigt in Zentralperspektive einen Blick in den zerstörten Supermarkt, in dem vereinzelte schwarz vermummte Personen Gegenstände heraustragen.
„Man hätte ihn ja auch umsortieren können, wäre das nicht politischer gewesen?“
Beschreibungen der Hand- und Armbewegungen wurden von Freunden der Künstlerin laut vorgelesen, kommentiert und in langen Gesprächen mit Prozessen der Bildbeschreibung, der politischen Notwendigkeit der Aktion als auch mit dem genauen Hören der eigenen Stimme beim Lesen verbunden. Eine assoziative Arbeit, die dialogisch geschnitten, die tagtägliche Konfrontation mit „ethisch aufreibenden“ Bildmaterial thematisiert.

„Throwing Gestures“ – Interventionen
Die Bezüge zur Populärkultur sind in vielen der gezeigten Arbeiten deutlich: gestenhafte Tanzbewegungen in Social Media-Kanälen, Game-Engines, die als Filmstudios dienen, die verteilte Berichterstattung zu den G20-Demonstrationen oder das Medienphänomen Raumfahrt.
Die Kurator/innen haben ergänzende Beispiele aus der Populärkultur im Studio 1 installiert, die das Spektrum um historische Darstellungen von Geste erweitern. So lässt sich mit dem umtriebigen Unternehmer und Filmproduzenten William K.L. Dickson frühe Dokumente der filmischen Reproduktion von Gesten der Macht zeigen. Dickson war mit seinen populären Filmen auf die Gunst der Zuseher/innen angewiesen und konnte ihnen 1898 mit „Pope Leo XIII in his Chair“ den damaligen internationalen Popstar präsentieren.

Die Darstellung von Gebetsgesten, die sich in dem überlieferten Album des französischen Oberst Jean-Baptiste-Joseph Gentil (1726–1799) findet, hat ihren Ursprung in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts. Die französische Armee hatte den Offizier entsandt, um Widerstand gegen den Vormarsch der Truppen der English East India Company aufzubauen. Der Blick Gentils auf lokale Riten, Festivitäten, sportliche Aktivitäten und auf viele weitere Facetten Indiens steht in scharfem Kontrast zu aktuellen militärischen Aufklärungsbildern, wie sie uns beispielsweise über Drohnen vermittelt werden.
Die beiden historischen Referenzen werden von neueren bzw. neuesten Beispielen aus der Populärkultur begleitet, wo eine verstärkte Ästhetisierung von Protestgesten zu beobachten ist. Beyoncé, 2016 mitwirkende Künstlerin bei der Halbzeitshow des US-amerikanischen Medienereignis „Super Bowl“, bespielte die ihr gebotene Bühne gemeinsam mit Tänzerinnen in Kostümen, die auf die Black Panther-Bewegung der 1970er Jahre verwiesen. Beyoncé ordnet sich mit der Performance ihres Songs „Formation“ in die Tradition politischer Gesten bei sportlichen Großveranstaltungen ein, aus der nicht zuletzt der ikonische „Black Power“-Gruß der beiden Athleten Tommie Smith und John Carlos bei den Olympischen Spielen 1968 herausragt. Smiths und Carlos’ mutiges Bekenntnis findet 2016 sein Echo in der Weigerung Colin Kaepernicks, die Nationalhymne stehend am Spielfeld abzuwarten. Mit seinem „taking a knee“ kreierte er ein seither weithin diskutiertes Zeichen für die „Black Lives Matter“-Bewegung. In der sportlichen Arena lassen sich politische Positionen beziehen und kommunizieren, findigen Unternehmen bietet die dadurch erhöhte Aufmerksamkeit eine willkommene Einkommensquelle.

Quellenangaben:
- Eye Filmmuseum Amsterdam: „Pope Leo XIII“, FLM209234
- Victoria and Albert Museum, London: „Rites and Festivals of Muslims and the main Hindu Castes“ in Gentil; Manuscripts, Faizabad, ca. 1774, IS.25:27-1980