The Entanglement between Gesture, Media, and Politics

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The
Entanglement
between
Gesture, Media,
and Politics
Workshop I / Braunschweig
Im/Perceptible
Gesture
Repräsentation/
Erfahrung

Im/Perceptible Gesture

Workshop I / Braunschweig

Vom 24. bis zum 28. April 2017 trafen sich die ProjektteilnehmerInnen zum ersten Workshop in Braunschweig. In intensiven Arbeitstagen stellten wir einander unsere Materialien und Methoden vor, zeigten Zwischenergebnisse von Recherchen, wir orteten gemeinsame Interessen an ausgewählten Fallbeispielen und erprobten unterschiedliche Methoden, um sich diesen analytisch anzunähern.

Impressions of the workshop, Braunschweig
Fragen zu Verwicklungen von Gesten, Medien und dem Politischen. Foto: Torsten Schmitt Fotografie | Berlin | www.fotosch.de

In der gemeinsamen Arbeitswoche ergaben sich erste Kollaborationen. Wir diskutierten und erprobten Formen der interdisziplinären Zusammenarbeit. Dabei zeichneten sich 3 Schwerpunkte ab, um das Verhältnis von Geste, ihrer Wahrnehmbarkeit und Repräsentation zu untersuchen. Es wurde deutlich, dass

1. für uns die Beschreibung und damit Versprachlichung von Gesten ein besonders relevantes Feld ist.

2. wir uns auf die unterschiedlichen Formen der techno-medialen Repräsentation, insbesondere in Video und Erkennungsprozessen, konzentrieren.

3. mit Blick auf die Analyse von Gesten das Moment der Erfahrung von Gesten wichtig wurde. Gesten haben demnach eine doppelte Existenz: sie sind an so etwas wie einen „inneren“ Raum der Erfahrung gebunden und an einen (vom Gestikulierenden aus betrachtet) „äußeren“ Raum der Wahrnehmung und der Repräsentation.

Zwei Tage lang arbeiteten wir gemeinsam mit Elke Utermöhlen und Martin Slawig von blackholefactory am Thema „un/perceivable gesture“. Anknüpfend an theateranthropologische Ansätze von Eugenio Barba fragten wir nach dem Übergang von Alltagsgesten zu ihren symbolischen Formen – wie sie in unterschiedlichen Theaterformen tradiert werden.

Video-Still während des Workshops

Wir unterzogen das Verhältnis von formalisierter Geste und ihrer individuellen Ausführung einer kritischen Betrachtung. Die theoretische Auseinandersetzung korrespondierte mit praktischen Experimenten: Laurie Young zerlegte mit ihrer künstlerischen Methode des „Giffing“ typische Gesten der Mediennutzung in granulare Bewegungsschritte. In der Gruppe führten wir diese als verteilte Folge aus und beschrieben unsere individuelle Erfahrung mit der jeweiligen Bewegungssequenz.

Videomitschnitt der Giffing-Szene

In der Arbeit mit Kinects Tiefenkamera verschiebt sich die Frage nach der Formalisierung von Gesten, insofern sie zwar als zeitliche Abfolge von Punktwolken repräsentiert sind, aber in Form von Matrizenfolgen auch für mathematische Operationen zugänglich werden. Im Sinne der un/wahrnehmbaren Gesten haben wir begonnen, Bewegungsabläufe in Bezug zu setzen mit den spezifischen räumlichen Daten und Ausformungen, welche sie mittels digitaler Messung und Signalverarbeitung erzeugen. Diese Repräsentationen ermöglichen eine Analyse von räumlichen und zeitlichen Details sowie die Gegenüberberstellung mit anderen Darstellungsformen. Der Fokus auf Übersetzungs- und Operationsketten deutet sich auch für ein weiteres Tool an, die Leap Motion.

Foto: Tobias Schulze, tjschulze.de
3D-Profile zur Analyse von Handgesten (Konrad Strutz). Foto: Torsten Schmitt Fotografie | Berlin | www.fotosch.de

Als Praxis und Thema werden uns Handgesten und Körpergesten in ihrem Verhältnis zu ihren technologischen Transformationen weiter beschäftigen. Erste theoretische Bezugnahmen haben wir zu Leroi-Gourhans Modell der Koevolution von Technik(en) und symbolischen Formen diskutiert sowie zu Tomassellos Kommunikationsmodell.

Die Frage von Kommunikation, Steuerung und Geste stellte sich uns neuerlich: Wie werden Gesten versprachlicht? Wie werden Beschreibungen von Gesten und Handlungsanweisungen umgesetzt? Welche Rolle spielen Rhythmen, Betonungen und Atmosphären? Diese Auseinandersetzung spielt ins Thema der politischen Geste herein; es geht um den Umschlagpunkt von individuellen zu intersubjektiven Konstellationen, die das Verhältnis von Erfahrung, Ausdruck und Kommunikation adressieren.

Bewegungsrhythmen im öffentlichen Raum, minimale Gesten der Interaktion und hochsymbolische Gesten in unterschiedlichen Protestbewegungen sind für uns wichtige Phänomene in diesem Thema. Timo Herbsts filmisches Material und eine experimentelle Präsentation im ICG-Dome des Instituts für Computer Graphik der TU Braunschweig fragen, wie sich Öffentlichkeiten auch und gerade durch (minimale) gestische Interaktion herstellen und wie diese beobachtbar und zu repräsentieren sind.

Foto: Tobias Schulze, tjschulze.de

Das Verhältnis von Bewegung, Medien und Öffentlichkeit muss einerseits mit differenzierten Begriffen des Politischen befragt werden und andererseits in einer medienhistorischen Perspektive kontextualisiert werden. Aus der Perspektive des Politischen geht es immer um Sicht- und Sagbares, aber auch um Fremdzuweisungen und Selbstausschlüsse (vgl. u.a. Didier Eribon: Rückkehr nach Reims. 2016); in der historischen Kontextualisierung wird deutlich, welche Repräsentationsformen und diskursiven Räume wie stabilisiert wurden. Darüber hinaus lässt sich differenziert diskutieren, wie sich phantasmagorische Überschüsse und symbolisches Kapital mit der Einführung und Stabilisierung von Technologien verändern.

Zum Abschluss präsentierten wir unsere Ansätze, Fallstudien und Diskussionen in Form eines „Open Studio“ der HBK-Öffentlichkeit. Es kristallisierten sich Verdichtungen von Interessen heraus und die zu bearbeitenden Fallstudien und Konstellationen.

Foto: Torsten Schmitt Fotografie | Berlin | www.fotosch.de
Zum Ende des 1. Workshop lud das Projekt zum Open Studio an der HBK ein. Foto: Torsten Schmitt Fotografie | Berlin | www.fotosch.de

Das Projekt

Das Projekt „The Entanglement between Gesture, Media, and Politics“ untersucht die Verschränkungen körperlicher Gesten mit zeitgenössischen ubiquitären und global vernetzten Medientechnologien.

(Sich) Zu zeigen erhält einen neuen Stellenwert, sowohl in global zirkulierenden Bewegtbild-Medien als auch in zunehmend von Sensoren und Prozessoren durchzogenen Alltagswelten. Dabei ändern sich Präsenz und Öffentlichkeit, so die Annahme des Projekts. Es gilt zu analysieren, wie unterschiedliche Formen von Gegenwärtigkeit und Öffentlichkeit verfasst sind und wie sie entstehen. Die Arbeit an zwei Schwerpunktthemen soll diese Prozesse erfahrbar machen und die Reflexion ermöglichen.

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Die Publikation

Throwing Gestures untersucht das aktuell gestiegene Interesse an Gesten und ihre Verschränkung mit Medien und Politik.

Gesten gehen von Körper zu Körper über und bewegen sich zwischen unterschiedlichen Zuständen medialer Repräsentation. Protestbewegungen und ihre jeweilige Ästhetik, die jahrzehntelange Fortschreibung sozioökonomischer Krisen, die prekäre Lage von sogenannten Gig-Workern und diverse Mechanismen zur Quantifizierung von Arbeit und Freizeit sind einige der angesprochenen Themen.

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Prozess

Workshop I / Braunschweig

Vom 24. bis zum 28. April 2017 trafen sich die ProjektteilnehmerInnen zum ersten Workshop in Braunschweig. In intensiven Arbeitstagen stellten wir einander unsere Materialien und Methoden vor, zeigten Zwischenergebnisse von Recherchen, wir orteten gemeinsame Interessen an ausgewählten Fallbeispielen und erprobten unterschiedliche Methoden, um sich diesen analytisch anzunähern.

Workshop II / Hallein

Das internationale Kunst- und Design-Festival „Schmiede Hallein“ war der Rahmen für den zweiten Workshop des Forschungsprojekts „The Entanglement between Gesture, Media, and Politics“ vom 20. bis 30. September 2017. Auf einem Teil des weitläufigen Areals einer ehemaligen Saline konnte das Projektteam einen Ort schaffen, der Experimente mit körperlichen Gesten, mit Technik und räumlichen Installationen ermöglichte.

Workshop III / Berlin-Köpenick

Der dritte Projekt-Workshop fand vom 15. bis 19. Mai in den Lake Studios, Berlin Köpenick, statt. Wir arbeiteten intensiv an Installationen, Lecture Performances und Choreografien. Nach den Phasen von Exploration und Experimenten zu unseren Schwerpunktthemen und Fallstudien konzentrierten wir uns nun auf deren Verdichtung und ästhetische Formen.

Workshop IV / Berlin-Kreuzberg

Vom 4. bis 10. September 2018 trafen wir uns zum vierten und letzten Workshop im Kunstquartier Bethanien. Wir arbeiteten intensiv an unseren kollektiven und individuellen Installationen für die Ausstellung im Dezember.

Abschluss-Veranstaltung
Symposium: Throwing Gestures

Symposiumsbericht von Christian Schwinghammer / Daniel Stoecker, Forschungskolleg SENSING: Zum Wissen sensibler Medien, Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften (ZeM), Potsdam.

Kunstquartier Bethanien, Studio 1, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin. Symposium 8. Dezember 2018, 10–19 Uhr.

Ausstellung: Throwing Gestures

Rückblick auf die Ausstellung „Throwing Gestures“ im Studio 1, Kunstquartier Bethanien, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin. Vernissage am 7. Dezember 2018 – Ausstellungsdauer 9. bis 16. Dezember 2018

News

Buchpräsentation „Throwing Gestures“

Am 19. Mai 2022 fand die Buchpräsentation von „Throwing Gestures. Protest, Economy and the Imperceptible“ an der Universität für angewandte Kunst Wien statt. Es sprachen Marie Artaker, Gerald Bast (Rektor), Florian Bettel, Ernst Strouhal und Konrad Strutz.

Abschlusspublikation: Throwing Gestures

Die Abschlusspublikation „Throwing Gestures“ erschien im September 2021 im Verlag für moderne Kunst. Herausgeber*innen sind Florian Bettel, Irina Kaldrack und Konrad Strutz.

Ausstellung: Throwing Gestures

Vernissage am 7. Dezember 2018 – Ausstellung ist täglich geöffnet, 12–20 Uhr – bis 16. Dezember 2018

Partner/Kooperationen

Durchgeführt an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig; gefördert durch die Volkswagen-Stiftung im Rahmen des Programms Arts & Science in Motion; unterstützt von der Universität für angewandte Kunst Wien.